Freileitungen

 

Störche auf Freileitung

 

§ 41 BNatSchG

"Zum Schutz von Vogelarten sind neu zu errichtende Masten und technische Bauteile von Mittelspannungsfreileitungen konstruktiv so auszuführen, dass Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. An bestehenden Masten und technischen Bauteilen von Mittelspannungsleitungen mit hoher Gefährdung von Vögeln sind bis zum 31. Dezember 2012 die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung gegen Stromschlag durchzuführen. Satz 2 gilt nicht für Oberleitungsanlagen von Eisenbahnen."

 

§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG

"Es ist verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzten oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Risiken für Vögel
Grundsätzlich müssen an Freileitungen zwei Risikobereiche unterschieden werden. Zum einen besteht für Vögel die Gefahr eines Stromschlags, indem Kurz- oder Erdschlüsse ausgelöst werden. Zum anderen kann es durch den Anflug an Leiter- und Erdseile zu Verletzungen mit meist tödlichem Ausgang kommen. Nach heutigem Kenntnisstand lassen sich beide Risiken durch eine umsichtige Planung, bautechnische Lösungen und die Nachrüstung von Schutzvorrichtungen deutlich reduzieren.

Stromschlag
Die Gefahr von Stromschlägen besteht vor allem an Mittelspannungsleitungen, die Masten mit hohen Erdpotenzial (z. B. stahlbewährten Betonmasten) und Isolatoren in Stützerbauweise (das heißt, das Leiterseil verläuft über den Isolatoren) besitzen. Betroffen sind vor allem große Vogelarten, die die Masten bzw. Traversen als Sitzwarte, Schlaf- oder Brutplatz nutzen. Aufgrund ihrer Körpergröße sind diese Arten in der Lage, Isolatoren zu überbrücken oder getrennt hängende Leitungsseile kurz zu schließen. Nicht selten geschieht dies beim Komfortverhalten, wenn Flügel oder Beine abgestreckt werden.

Die ersten Stromschlagopfer wurden bereits vor über 100 Jahren dokumentiert. Nachdem das Problem erkannt wurde, begangen die Versuche mit einfachen Schützvorrichtungen (Abweisern), die in der Nähe der Masten um das Leiterseil montiert wurden. Allerdings blieben diese Bemühungen weitestgehend ohne Erfolg. Insbesondere bei seltenen Großvogelarten führten die steigenden Verlustraten zu einer Gefährdung lokaler und z. T. auch landesweiter Populationen.

Nachdem zunächst von Seiten der Elektrizitätswerke/Netzbetreiber Sicherungs- bzw. Entschärfungsmaßnahmen auf freiwilliger Basis durchgeführt wurden, erfolgte 1985 mit der DIN VDE 0210 (Abschnitt 8.10) die erste Nomierung. 1986 folgten der VDEW Maßnahmenkatalog und 1991 die Empfehlungen zum Vogelschutz an Freileitungen, die in Zusammenarbeit mit Natur- und Umweltschutzverbänden erarbeitet wurden. Trotz dieser Fortschritte konnte in der Praxis kein verbindlicher Standard etabliert werden. Darüber hinaus hatten sich viele der aufgeführten Schutzvorrichtungen im Nachhinein als unwirksam erwiesen. Aus diesem Grund fasste die LAG VSW sämtliche bis dahin vorliegenden Erkenntnisse zusammen und erarbeitete 2010 eine Liste der sog. "No-goes". Diese Liste umfasst alle Vorrichtungen, die sich für den Schutz gegen Stromschlag als untauglich erwiesen hatten.

Untaugliche Vogelschutzmaßnahmenen gegen Stromschlag (LAG VSW 2010): pdf (0.03 MB)

Die Liste der untauglichen Vogelschutzmaßnahmen fand Eingang in die VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N 4210-11, die seit August 2011 als verbindlicher Standard für die Umsetzung von § 41 BNatSchG gilt. Dort ist (mit Ausnahme der Oberleitungen von Eisenbahnen) eine bundesweite Sicherung von Mittelspannungsfreileitungen bis Ende 2012 vorgesehen.

Die VDE-Andwendungsregel wurde in einer bundesweiten Projektgruppe erarbeitet, in der Netzbetreiber, Behörden und Umweltverbände vertreten waren. Sie kann über dass FNN innerhalb des VDE bezogen werden.

Kurzinformation zur VDE-AR-N 4210-11 bei www.vde.com: pdf (0.13 MB)

Anflug
Auch der Anflug von Leiter- und Erdseile stellt für Vögel ein Risiko dar, das eine Verwirklichung der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bedeuten kann. Allerdings ist dies nicht automatisch bei jeder Freileitung anzunehmen. Vielmehr gibt es bestimmte Bereiche und Situationen, die ein erhöhtes Kollisionsrisiko mit sich bringen.

Besonders betroffen sind Vogelarten, deren räumliches Sehvermögen vergleichsweise schlecht ausgeprägt bzw. deren Manövrierfähigkeit eingeschränkt ist. Auch eine aufgrund von Nebel oder Niederschlägen eingeschränkte Sicht sowie starke Windböhen erhöhen das Kollisionsrisiko. Dies gilt auch für plötzliche Lärmemissionen, die eine panisches Fluchtreaktion auslösen.

Vergleichsweise häufig treten Unfälle am Erdseil von 380 KV-Leitungen auf. Da das Erdseil deutlich dünner als die Leiterseile ist, wird es von den Vögel leicht übersehen. Häufig ist dies der Fall, wenn die Vögel die Leiterseile erst "in letzter Sekunde" erkennen und versuchen, nach oben auszuweichen.

Um die Risiken für den Vogelflug möglichst gering zu halten, ist eine "vogelfreundliche" Trassenführung notwendig. Dies bedeutet, dass funktionale Bereiche (z. B. Nahrungshabitat und Brutplatz) nicht getrennt und Rastgebiete, insbesondere Gewässer, großräumig gemieden werden. Außerdem sollten Zugkorridore nicht gequert und Rücksicht auf unzerschnittene bzw. störungsarme Landschaften genommen werden.

Besonders verlustreiche Leitungen können mit sog. "Markern" nachgerüstet werden. In der Regel ist es ausreichend, diese in den gefährlichen Leitungsbereichen am Erdseil anzubringen. Insbesondere bei großen Vogelarten konnte dadurch das Anflugrisiko deutlich gesenkt werden.

Markierung von Hoch- und Höchstspannungsleitungen (LAG VSW 2012): pdf (0.01 MB)